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Mina und Loen |
Eines Tages, Loens und Minas Leben zählte gerade mal 6 Wochen, fiel Mina auf, dass ihr Vater sie schon lange nicht mehr in der Höhle, in der sie noch immer mit Loen lebte, besucht hatte. Als sie ihre Mutter fragte, warum ihr Papa nicht mehr komme, liefen dieser Tränen über die Wangen. Denn Solano war tot. Ein ihr fremder Rüde namens Dorn hatte ihn durch eine hinterhältige List getötet. Sie erzählte weiter, dass sie befürchtete, dass Dorn auch Mina und Loen töten würde, wüsste er denn, dass die beiden Welpen existieren. Die beiden kleinen Welpen drückten sich verängstigt an ihre Mutter. Myrna holte tief Luft, denn sie spürte, wie mit jedem schrecklichen Wort, das sie ihren kleinen Töchtern erzählte, die Kraft aus ihren Gliedern wich.
Sie beschloss, ihre Jungen so lange zu verstecken, bis sie alt genug sein würden, um mit ihnen das Rudel zu verlassen, denn Dorns Führung war grausam. Er duldete keinen Widerspruch und jeder Rüde, der ihn herausforderte, bezahlte dafür mit seinem Leben. Ihm war es egal, was mit den Rüden im Rudel geschah, war er doch nur an den Fähen interessiert. Und Myrna war sich gewiss, dass Dorn niemals die Jungen seines Vorgängers dulden würde.
Lange blieb Myrna an jenem Abend bei ihren Jungen. Als sie ging, sagte sie befehlend, dass sie die Nähe der Höhle nicht verlassen durften. Nie in ihrem Leben hatte Mina ihre Mutter so ernst gesehen, ängstlich drückte sie sich an Loen, die jedoch genauso viel Furch empfand, wie Mina. Als ihre Mutter fort war, lagen sie eng an einander geschmiegt noch lange wach.
Die nächsten Tage waren für Loen und Mina langweilig, da sie sich ja nicht von der Höhle entfernen durften. Myrna kam so oft es ging, doch musste sie stets aufpassen, dass ihr Fortbleiben nicht all zu lange andauerte, dennoch schöpfte Dorn irgendwann Verdacht. Er Folgte Myrna unauffällig zu der Höhle. Einige Tage vergingen und er beobachtete die Höhle stundenlang. Jedoch war er in dem Glauben, dass Myrna nur einen Welpen zur Welt gebracht hatte, da sich Mina und Loen zum Verwechseln ähnlich sahen und wenn sie mal außerhalb der Höhle zu sehen waren, war immer nur eine von ihnen draußen.
An einem sonnigen Spätsommertag, Myrna hatte die Höhle gerade verlassen, flog ein großer brauner Käfer in die Höhle. Mina packte sich dieses interessante Ding und spielte damit, neben der schlafenden Loen. Als sie jedoch ihre Beute aus ihren Pfoten befreien konnte und laut summend aus der Höhle flog, konnte Mina nicht an sich halten und rannte, die Warnung ihrer Mutter ganz vergessend, aus der Höhle und dem Käfer nach. Draußen tollte sie unbefangen und laut kläffend herum. Und Dorn lauerte schon hinter einem Felsen unweit der Kleinen. Mina merkte nicht, wie sie im Spiel immer näher an Dorn herangelangte. Plötzlich sprang er, wie aus dem Nichts auf sie zu. Mina erschrak, schien sie doch instinktiv zu wissen, dass er der gefürchtete Rüde sei, der ihren Vater getötet hatte. Dorn machte es Spaß die kleine verängstigte Mina zu sehen. Er schubste sie brutal mit den riesigen Pfoten vor sich hin und her. Irgendwann schaffte Mina es wegzulaufen. Sie lief in Richtung Höhle, denn sie glaubte dort vor ihm sicher zu sein.
Von dem Lärm, der von draußen kam, wachte Loen auf. Als Mina an der schlaftrunkenen Loen vorbei in die Höhle schoss, war sie so voller Angst, dass sie vergas Loen zu warnen. Mina quetschte sich verängstigt und am ganzen Leib zitternd in eine gut versteckte Felsspalte. Loen verstand Minas Zustand nicht und wollte nachsehen, was sie so aufgebracht hatte. Unwissend tappte sie zum Eingang der Höhle und direkt in den Tod. Dorn packte die kleine hilflose Loen, die er doch für Mina hielt. Mittlerweile war er sehr gereizt, da es Mina gelungen war zu fliehen. Nun wollte er dem ganzen ein Ende bereiten und brach Loen mit einem gezielten Biss das Genick. Mina sah das alles von ihrem Versteck aus mit an. Sie wagte vor Schock und Angst nicht sich zu bewegen, geschweige denn zu atmen.
Als Dorn mit einem triumphierenden Grinsen auf den blutigen Lefzen zum Rudel zurückkehrte, wusste Myrna sofort, was geschehen war. Wütend und mit Tränen in den Augen sah sie ihn an und er so schien es lachte sie aus. Myrna würde sich rächen, dies schwor sie sich in jenem Augenblick, doch bevor sie dies tat, wollte sie ihre toten Welpen sehen. Sie lief so schnell sie konnte zu der Höhle, in der sie Loen und Mina versteckt gehalten hatte. Sie holte tief Luft, als sie in die Höhle tappte, dort sah sie schon die kleine Loen in einer roten Blutlache liegen. Weinend und winselnd senkte Myrna die Schnauze und leckte ihr liebevoll über das kleine Gesicht. Die kleine Welpe war noch ganz warm, aber bereits tot, dass wusste Myrna. Behutsam fasste sie den kleinen Leichnam und trug in taumelnd, sich kaum auf den Beinen halten könnend, vor die Höhle. Dann kehrte sie zurück in das Innere der Höhle, suchte nach Mina, von der sie annahm, dass sie das gleiche Schicksal ereilt hatte. Bald darauf nahm sie Minas Fährte auf und folgte ihr, doch stand sie plötzlich vor einer Felswand, die so sehr nach Mina roch, doch war Mina nirgends zu sehen. Doch ganz leise stieß Minas zitterndes Winseln aus der Felsspalte hervor, denn Mina hatte ihre Mutter an ihrem Geruch erkannt. Als Myrna die Laute der kleinen Welpe vernahm, breitete sich ein unbeschreibliches Glücksgefühl in ihrem Herzen aus. Liebevoll lockte sie ihr Tochter zu sich und Mina kroch aus der schützenden Felsspalte hervor. Vor Freunde weinend, dass sie wenigstens eines ihrer Jungen am Leben war, drückt Myrna sich fest an Mina und leckte immer wieder voller Liebe über die kleine Welpe.
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Die Welpe Mina |
Myrna blieb den ganzen Tag bei Mina und liebkoste sie, als wäre es das letzte Mal. Als der Abend anbrach, sah sie Mina traurig an. Sie sagte ihr mit bebender Stimme, dass sie gehen solle und nie wieder zurückkommen dürfe. Entsetzten trat in die kleinen Welpenaugen, denn Mina verstand nicht, warum ihre Mama sie nicht mehr haben wolle. Myrna konnte ihr nicht sagen, dass sie an Dorn Rache üben werde und dass sie weiß, dass dies ihr letzter Kampf sein wird. Sie wusste genau, dass, wenn sie dies Mina gesagt hätte, dass Mina dann bei ihr geblieben wäre und auch den Tod gefunden hätte. Deshalb, und nur deshalb, weil sie Mina schützen wollte, wurde ihr Ton hart und kalt. Sie sah Mina böse an, was ihr das Herz zu brechen drohte, und sagte ihr, dass sie sie nicht mehr liebe und, dass sie Mina nie wieder sehen möchte. Vollkommen perplex drückte Mina sich an ihre Mama, denn sie liebte sie doch so sehr. Myrna hatte keine andere Wahl und biss Mina von sich weg. Mina sah sie verwirrt und weinend an, stand auf und lief so schnell sie konnte davon. Myrna blieb mit gebrochenem Herzen neben den toten Loen zurück.
Mina lief und lief, die ganze Nacht lang. Mitten in der Nacht, glaubte sie das Heulen ihres alten Rudels zu hören. Sie blieb stehen, horchte und weinte, denn sie erinnerte sich daran, dass ihr Vater einst sagte, wenn ein Rudelmitglied stirbt, heult das Rudel die ganze Nacht lang. Mina erkannte dieses Geheul, denn seit Dorn das Rudel führte, war jener Trauergesang oft des Nachts zu hören. Und Mina war sich auf einmal sicher, dass jene Trauer in dieser Nacht ihrer Mutter galt.
Immer weiter und weiter lief sie. Viele Tage lang durchstreifte sie das Ostreich. Sie jagte mit minderem Erfolg Kleintiere, wie Mäuse und Frösche, fraß Beeren und Pilze und trank, das kalte Gebirgswasser. Nach vielen Tagen des Umherirrens gelangte sie schließlich in einen Wald, welcher der Zauberwald war und nun sollte ein neues Leben für sie beginnen...