"Würde man jemandem aus dem Volk oder dem Hofstaat fragen, wer ich bin, so würde dieser jemand gewiss wie folgt antworten:

"Oh, Calaiopee ist eine wahre Schönheit. Schlank und dennoch wohlgeformt ist ihr Körper, obgleich sie nicht sehr groß ist. Das schöne Haar des Fräuleins ist seidig glatt und glitzert in der strahlenden Sonne, wie kostbares Weißgold. Ihre Bewegungen sind voller Anmut, wie die einer Elfe.

Wenn sie auf einem Ball tanzt, dann sind alle Augen nur auf sie gerichtet und in den Gesichtern der anwesenden Herren ist sowohl Verlangen und als auch  Anbetung zu lesen. Und die anwesenden Damen verblassen gegen die Schönheit Calaiopees. Die Neider, die sie Calaiopee gegenüber hegen, sind dann kaum zu übersehen, wenn das liebreizende Fräulein wieder Mittelpunkt des Balles wird. Calaiopee ist schön und elegant. Zudem ist sie aus gutem Hause und genoss die beste höfische Erziehung. Sie kann lesen und schreiben und scheint auch sonst recht klug zu sein, wenn man dem glauben kann, was man so hört.

Doch irgendwie erinnert das Fräulein bei all dieser Pracht und Schönheit eher an eine erfrorene Rose, die nicht im Leben steht. Es ist seltsam, aber sie lacht nie und auch sonst scheinen ihre Gesichtzüge leblos. Ihre grau-blauen Augen strahlen nicht, sondern scheinen dem Leben und jeglichem Gefühl verschlossen. Es ist seltsam! Früher als sie noch am Hofe ihres Vaters lebte, da war Calaiopee eine so bezaubernde Person. Sicher, sie ist noch immer bezaubernd, das will ich ja gar nicht bestreiten! Aber den Scharm und Esprit, den sie früher  während einer Konversation versprühte, scheint es nicht mehr zu geben. Natürlich war sie schon damals sehr ernst und nachdenklich. Aber heute redet sie ja kaum noch und zieht sich mehr und mehr in sich zurück.

Calaiopee hat sich wirklich sehr verändert! Aber woran liegt das nur? Sie hat doch alles was sich unser einer nur wünschen kann! Ist sie denn unzufrieden? Sie ist so schön und wird einem reichen Herren, dem Baron zur Gattin gegeben. Was will sie denn noch mehr?"

Ja so würden die Leute über mich sprechen.

Doch wann immer ich mich selbst frage, wer ich bin, dann weiß ich keine Antwort, die mich wahrheitsgetreu beschreiben könnte. Die Menschen, die man zu meiner Person fragen würde, wissen nur Äußerliches zu berichten. Mehr nicht! Sie denken, dass sie wissen wer ich bin, aber sie sehen nicht mich, sondern nur eine Puppe im Spiel um Macht, die niemals eine solche Rolle spielen wollte.

Ich würde so gerne diesem Leben entfliehen und die Rolle annehmen, die ich mir aussuche!

Oh Gott, vergib mir! So etwas sollte ich nicht denken! Ich weiß doch, dass ich keine andere Wahl habe und mich fügen muss....

...

Aber letztendlich bin ich doch nur eine Sklavin.

Eine Sklavin, die goldene Fesseln trägt..."

Zurück